Episode 10

Großelternglück

Vor vier Tagen schien feierlich strahlend die Sonne über Frankfurt und ich entschied mich, die kommende Stunde mit meinem Schülern im Park zu verbringen.
Während die Kinder spielten, betrachtete ich das Geschehen am Spielplatz. Die ungewöhnlich hohe Zahl an älteren Menschen auf dem Platz erinnerte mich daran, dass die Kitas streiken.
Insbesondere fiel mir ein älteres Paar Ende sechzig auf. Der Mann, ein fein und schüchtern wirkender Herr, saß auf einer Holzbank und betrachtete das Geschehen mit traurigen Augen, während seine Frau höchst vergnügt mit den Enkelkindern spielte.
Sie mimte gerade einen Schmetterling oder vielleicht ein Flugzeug nach, der oder das lächelnd seine Kreise um das kleinste ihrer Enkelkinder flog.
In ihrer grenzenlosen Freude sah sie plötzlich so jung aus, wie sie einmal war, als sie für ihre eigenen Kinder tanzte.
Während die Frau sich so sehr an den unerwarteten Stunden mit den Enkelkindern erfreute, bangte ihr Mann dem Ende des Streiks entgegen.
Sie werden zurück in ihre bescheidene Wohnung fahren, zurück zum Alltag am stillen Ende der Allee des Lebens. An Weihnachten werden sie ihre Enkelkinder für zwei kostbare Tage wieder sehen und dann vielleicht erneut im Sommer.
Kurz bevor ich mit meinen Schülern den Ort verlassen hatte, erschienen die Eltern der Kleinen auf dem Spielplatz. Die Ähnlichkeit des Vaters mit dem älteren Mann verriet, dass es seine Eltern waren.
Während der junge Vater berührt von dem Bildnis seiner spielenden Mutter zu sein schien, strahlte seine Frau den puren Stress aus,
Möglicherweise fühlt sie sich nicht ganz wohl in der Gesellschaft ihrer Schwiegereltern...
Zur Zeit betreue ich als Trommellehrer etwa hundert Kinder. Es ist im rührend zu erleben, wie sich manche Kinder im Kindergarten so sehr freuen, wenn ihre Eltern sie abholen.
Vielleicht die gleichen Eltern, welche sie in dreißig Jahren nur zwei bis drei Mal im Jahr besuchen werden.
Bis das Glück Oma und Opa wieder mit einem unerwarteten Kita-Streik beschenken wird!


Life to Go

Vor mehr als zwei Jahrzehnten tauchten die ersten Personen auf, die Kaffee beim Gehen schlürften.
Jetzt SMSen und chatten immer mehr Menschen beim Gehen, Stehen, Radeln, Autofahren, im WC und sogar beim gemeinsamen dinieren oder im Café.
Bald braucht der Mensch keinen unmittelbaren Kontakt mehr zu anderen, keine Liebe oder irgendwelche Form von Aufmerksamkeit, weil es Empathie niemals geben geben wird im vergeudeten „Leben beim Gehen“.


Willkommenskultur - oder was kommt danach?

Wir erleben zur Zeit eine Völkerwanderung von ungeheurer Größe.
Im virtuellen Zeitalter entstehen Trends und Entscheidungen, die Millionen in Windeseile betreffen.
Getrieben von unbarmherziger Geschwindigkeit der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten, fällt es vielen Menschen manchmal zu leicht Entscheidungen von schwerer Tragweite zu treffen.
Die in Jahrtausenden entstandene Bindung zur Heimat wird über Nacht über Bord geworfen, im Namen von rosa Versprechungen, die zu tausenden über Millionen von Displays huschen.
Die Ernüchterung könnte auf viele arme Migranten angriffslustig im alemannischen Schlaraffenland lauern.
Wenn die erst Not gelindert ist und die Willkommenskultur nachlassen wird, werden viele Migranten merken, dass sie noch immer zu den Ärmsten gehören, fern von dem rettenden Schoß der großen Familie im Orient.
Die meisten Neuankömmlinge aus Afrika und dem arabisch sprechenden Kulturraum befinden sich noch mehrere Generationen entfernt von der erlösenden (einige von uns auch) Verwandlung zu freien Weltbürgern.
Die schnellen Internet-Anschlüsse und Smartphones (die jeder besitzt und beherrscht) werden an dieser Tatsache nicht viel ändern.